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Date: 1998-07-23

Porno/hype & Journalismus: Es geht auch schaum/frei


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q/depesche 98.7.23/1
up/datein 98.7.22/2

Porno/hype & Journalismus: Es geht auch schaum/frei

Bei weiterhin unklarer Nachrichten/lage in Zandvoort zeigt
ein in der "Zeit" vom heutigen Tage publizierter
Schwerpunkt/bericht, dass über das nicht einfache
Verhältnis von Neuen Medien & Verbrechen auch seriöse
Berichterstattung möglich sind.
Besondere Attribute: Schaumfrei, niedriger
Empörungs/koeffizient, mit guten Background/links.

http://www1.zeit.de/bda/int/zeit/tag/aktuell/199831.soko_.html

Besonders zur Lektüre empfohlen wird Helmut Spudichs in den
Salzurger Nachrichten (21.7. S 20) erschienene Analyse. Aus
diesem Grund wird sie im Volltext beigelegt
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Verhaftet den üblichen Verdächtigen!

Wenn ein Kinderporno-Ring auffliegt, kann wohl der nächste
Internet-Anschluß nicht weit sein - das neue Medium ist auch
der neue Sündenbock.

Von Helmut Spudich

An dem Tag der vergangenen Woche, an dem die meisten Medien
der Verlockung nicht widerstehen konnten, "Kinder
porno-Ring" und "Internet" in einer atemlosen Schlagzeile zu
paaren, fand sich auf der Titel seite der Süddeutschen
Zeitung zufällig auch diese Geschichte: "Internet statt
Hörsaal: Badi sche Tele-Universität nimmt im Sommer ihren
Lehrbetrieb auf"; über den aufgedeckten Kinderporno-Ring
wurde auf Seite 3 berichtet.¶ Es ist das Jekyll-und-Hyde-
Syndrom: Hier die Hoffnung auf eine schöne, neue Welt bes
ser gebildeter, demokratisch engagierter Weltenbürger, dort
der Abgrund menschlicher

Grausamkeiten - das Internet befördert beides.¶ Wie keine
Kulturtechnik zu vor wird aber das Internet als solches für
seine Inhalte ver antwortlich gemacht. Wer re det schon
davon, daß Guten bergs wunderbare Erfindung beweglicher
Lettern auch dafür verantwortlich war, daß sich die
Schriften eines Ketzers na mens Martin Luther in (für da
malige Zeiten) solch atembe raubendem Tempo verbreiten
konnten, daß es zu Schisma und dreißigjährigem Glau
benskrieg mit Auswirkungen bis in unsere Tage (siehe der
Brandmord an drei Kindern in Nordirland vor zehn Tagen) kam.
Oder lastet jemand dem Buchdruck an, daß er solche
Abscheulichkeiten wie "Mein Kampf" oder die "Josefine
Mutzenbacher" - nach heuti gem Verständnis kein "Ero
tik-Klassiker", sondern Zeug nis schrecklichen Kindesmiß
brauchs - hervorbrachte? Nein, wenn heute endlich
Kinderporno als das Verbre chen gesehen wird, das es im mer
schon war, dann ist das elektronische Äquivalent der
Bücherverbrennung schnell bei der Hand: Der Sündenbock ist,
so das derzeit wieder landauf, landab gern und weit
verbreite te Vorurteil, das Internet, nicht die Menschen,
die sich seiner bedienen.¶ Davon zeugte nicht zuletzt vor
wenigen Wochen das Urteil gegen Felix Somm, den frühe ren
Geschäftsführer des Inter net-Anbieters Compuserve. Er
wurde, noch nicht rechtskräf tig, zu zwei Jahren Haft verur
teilt, weil über Compuserve (so wie über jeden anderen Inter
net-Provider) Kinder- und Tierporno-Bilder zugänglich

waren. Nicht Somm hatte die Bilder angeboten, auch nicht
Compuserve - nein, seine Fir ma ermöglichte den techni schen
Zugang zu den Bildern; selbst der Staatsanwalt plädier te
für Freispruch, weil Somm keine Möglichkeit gehabt hät te,
dies zu wissen und zu ver hindern. Die eigentlichen Täter
(Produzenten, Konsumenten) blieben hingegen unverfolgt. Um
einen Vergleich zu ziehen: Wir dürfen gespannt sein, ob der
Vorstand der Post im Zuge des Briefbomben-Prozesses wegen
seiner Verantwortung für die Zustellung der Sendun gen
gleichfalls mitangeklagt sein wird.¶ Es gibt auch Belege für
Un verständnis in anderer Rich tung: In Österreich beispiels
weise weigerte sich ein Richter, eine Anzeige gegen die Urhe
ber neonazistischen Materials im Internet entsprechend dem

Wiederbetätigungs-Tatbestand zu verfolgen. Sein Argument: Es
fehle die öffentliche Wir kung - ein ebenso krasses
Mißverständnis des neuen Me diums, wie es sich in Sachen
Compuserve in anderer Rich tung gezeigt hat.¶ Natürlich ist
es nötig, sich mit Internet-Entwicklungen
auseinanderzusetzen und uner wünschte, gar kriminelle Ent
wicklungen zu bekämpfen. Aber dazu fehlt derzeit Fakten
wissen sowohl bei Journalisten, Politikern, Exekutive und Ju
stiz als auch bei einer breiteren Öffentlichkeit. Zum
Beispiel dieses: Besser als bei den bishe rigen
Vertriebswegen von Kin derporno (oder Neonazi-Mate rial, das
zweite Internet- Schreckgespenst) können Ur heber und
Empfänger des Ma terials ausgeforscht werden. Dafür ist die
Technik verant wortlich (und darum gibt es

auch, an einer anderen Front, eine heftige Auseinanderset
zung um Fragen des "gläsernen Menschen" und Möglichkeiten
des Persönlichkeitsschutzes): Wer immer sich im Netz be
wegt, hinterläßt Datenspuren, die aufgezeichnet und verfolgt
werden können - anders als der Absender eines anonymen
Briefes, wovon die jahrelang fruchtlosen Ermittlungen ge gen
den heimischen Briefbom ber zeugen.¶ Wenn es vor einigen
Jahren Christoph Stoll möglich war, zwei gewiefte deutsche
Hacker zu stellen (die letztlich verhaf tet wurden), die in
NASA- Computern eingebrochen wa ren, könnten erst recht tech
nisch weniger bedarfte Anbie ter und Konsumenten von Kin
derpornos dingfest gemacht werden - Willen und Sach kenntnis
vorausgesetzt. Nicht zuletzt bedingt das schmutzige Geschäft
auch Zahlungsver kehr, der gleichfalls elektro nisch
durchgeführt wird und somit Spuren hinterläßt. All das sind
natürlich aufwendige, großteils grenzübergeifende
Ermittlungen. Aber gerade die gern verteufelte Technik gibt
auch das nötige Werkzeug dazu in die Hand. Ein anderer,
meist falsch be werteter Aspekt ist die Frage von Zugang zu
und Verbrei tung von inkriminiertem Mate rial über das Netz.
Dies ist mit dem Internet nur scheinbar einfacher als mit
der guten al ten Post; in der Praxis ist das Netz wohl eher
eine Art "Ver kaufsinstrument" als der Ver triebskanal.
Warum? Auch hier ist die Technik ausschlag gebend.
Einerseits können zwar Lockangebote leicht be worben werden;
jedoch sind

schon Bilder eine mühsame Angelegenheit, Videos hinge gen
(zumindest derzeit) kaum praktisch verteilbar. Eine Handvoll
Bilder brauchen über herkömmliche Telefonleitun gen (und das
ist zumindest auf der Konsumentenseite die Re gel) schon
relativ lange, ein Vi deo benötigt viele Stunden La dezeit.
Darum wird wohl eher im Netz das Angebot begutach tet und
geordert - die heiße Ware dann wie bisher auf dem Postweg
abgesetzt.¶ Mag sein, daß im neuen Me dium die Angebote
leichter zu gänglich sind als durch ver schlüsselte
Kleinanzeigen ein schlägiger Magazine oder unter dem
Ladentisch von Porno- Händlern. Aber das ist auch
gleichzeitig die Achillesferse der Kriminalität: Was
leichter zugänglich ist, kann auch leich ter beobachtet und
ausge forscht werden. Liest man die Geschichte der
vergangenen Woche sorgfältig nach, zeigt sich hingegen ein
ganz anderes Problem: Daß Behörden immer noch Hinwei se und
Anzeigen nicht hinrei chend ernst nehmen; im kon kreten Fall
von Zandvoort, dem holländischen Badeort, in dem das
Material gefunden wurde, geht die Geschichte vie le Jahre
zurück und zeigt mehr als Achtlosigkeit mancher Be hörde,
von Polizei bis Staatsan waltschaft.¶ Nachsatz: In einem
Ö-3-Bei trag vergangene Woche war ei ne Reportage über die
Opfer der Kinderporno-Affäre in Bad Goisern zu hören, in dem
da von die Rede war, daß der Miß brauch weitergeht - und wie
der hört offensichtlich niemand zu. Bis irgendwann neue
Bilder im Internet auftauchen?

http://www.salzburg.com

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TIP
Download free PGP 5.5.3i (Win95/NT & Mac)
http://keyserver.ad.or.at/pgp/download/

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edited by Harkank
published on: 1998-07-23
comments to office@quintessenz.at
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