Die Vorratsdatenspeicherung, die auf Basis einer EU-Richtlinie in den Mitgliedsstaaten eingeführt wird, ist zuletzt verstärkt auf Widerstand gestoßen. In Deutschland hat der Verfassungsgerichtshof die dortige Regelung wegen Unvereinbarkeit mit den Grundrechten gekippt. Der oberste Gerichtshof in Irland hat vor einem Jahr eine Anfrage beim EuGH eingebracht, um klären zu lassen, ob die Vorratsdatenspeicherung mit der europäischen Grundrechtecharta vereinbar ist. Der Österreichische Verfassungsgerichtshof hat im Dezember 2012 eine ähnliche Anfrage bei den europäischen Richtern in Luxemburg eingebracht. Trotzdem wird in einer Arbeitsgruppe, die unter Aussicht des Österreichischen Justizministeriums an einer Novelle des Urheberrechts werkt, bereits über eine Ausweitung der derzeitigen Regelung diskutiert.
Unmut in der Bevölkerung
In Österreich kommt die Vorratsdatenspeicherung erst seit April des vergangenen Jahres zum Einsatz. Die Verbindungsdaten werden für sechs Monate von den Providern gespeichert, die Inhalte dabei allerdings nicht erfasst. Friedrich Alexander Koenig, Abteilungsleiter in der Strafrechtssektion des österreichischen Justizministeriums http://justiz.gv.at , sagt, die Politik habe sich hierzulande bewusst Zeit gelassen mit der Umsetzung der Vorgaben aus Brüssel. "So konnten wir die Entwicklung in anderen Ländern beobachten und die Erfahrungen der dortigen Kollegen berücksichtigen. Unsere Regelung leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung schwerer Verbrechen bei gleichzeitiger Wahrung des Datenschutzes." Diese Einschätzung wird allerdings nicht überall geteilt.
Der Verfassungsbeschwerde, die zur Anrufung des EuGH geführt hat, haben sich in Österreich über 11.000 Menschen angeschlossen. Eine Aktion der Arbeiterkammer hat über 100.000 Unterschriften gegen die Speicherung der Vorratsdaten gebracht. Die Kritiker sehen in der Vorratsdatenspeicherung einen Eingriff in die Grundrechte der Bürger. "Diese Art der Datenerfassung stellt jeden unbescholtenen Bürger unter Generalverdacht. Die Erfahrungen in Deutschland haben gezeigt, dass die Vorratsdatenspeicherung keine Verbrechen verhindert und auch die Aufklärungsquote von Verbrechen nicht steigern kann. Jeder Mensch hat das Recht, unbeobachtet zu kommunizieren", sagt Datenschutz-Aktivist Georg Markus Kainz vom Verein Quintessenz http://quintessenz.at .
Wie lange der Europäische Gerichtshof für die Bearbeitung der Anfragen benötigt, ist nicht abzuschätzen. Im Schnitt nehmen sich die Richter etwa 14 Monate für den Prozess Zeit. Sollte die Vorratsdatenspeicherung für mit den Grundrechten unvereinbar befunden werden, könnten die Richter von den Mitgliedsstaaten verpflichtende Nachbesserungen oder sogar die Abschaffung der Regelungen fordern.
Drohende Ausweitung
Derzeit dürfen Ermittler in Österreich nur bei Straftaten auf die Vorratsdaten zugreifen, die mit Freiheitsstrafen ab zwei Jahren geahndet werden. Im Zuge einer anstehenden Reform des Urheberrechts wird unter der Ägide des Justizministeriums bereits diskutiert, ob auch bei Verletzungen des Urheberrechts drei Monate rückwirkend auf die IP-Adressen zugegriffen werden kann, um Straftäter zu identifizieren. Der Verein für Anti-Piraterie der Film- und Videobranche http://www.vap.cc zeigt sich bereits optimistisch, dass eine entsprechende Regelung bald in Kraft treten wird.
"Die Content-Industrie lobbyiert schon lange für ein entsprechendes System. Wenn Daten erst einmal gesammelt werden, entstehen automatisch Begehrlichkeiten von verschiedenen Seiten. Deshalb steht zu befürchten, dass die Regelung schleichend ausgeweitet wird", sagt Kainz. Das Justizministerium will von einer Ausweitung noch nichts wissen. "Es ist noch viel zu früh, um konkrete Aussagen zu treffen. Der Diskussionsprozess befindet sich noch ganz am Anfang. Es laufen zwar Gespräche, aber die gesamteuropäische Entwicklung wird abgewartet, bevor eine Entscheidung getroffen wird", erklärt Koenig.
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Redakteur: Markus Keßler
Wien (pte001/21.01.2013/06:00)